Bericht über die Reise zweier Hexen nach San Francisco

zu Halloween 2002
Helga Gebauer und Isabella Nohe

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1. Tag: Dienstag, 29. Oktober 2002

Das fängt ja gut an!

Nicht erst beim Koffer packen bin ich nervös geworden –endlich geht es los. Die lang erwartete und heiß ersehnte Reise; und – trotz vorheriger Albträume – habe ich nicht verschlafen! Der Wecker klingelt pünktlich um 4.00 Uhr morgens – alles ist klar. Koffer ins Auto laden, einsteigen – und losfahren? Pustekuchen: selbiges springt nicht an. Peter wird blass, ich nicht weniger. Aus dem Auto raus, ans Telefon, Taxi anrufen – der Hund wird verrückt, ich auch! Zum Glück ist noch genug Zeit – also Koffer und Rucksack wieder aus dem Auto und zu Fuß zur Waldhornstraße gewetzt. Helga kommt fröhlich – weil ahnungslos – aus dem Haus, und da kommt das Taxi schon um die Ecke. Ein letzter Abschiedsscherz, der Fahrer fährt zweimal rund um den Kappes, extra für uns. Natürlich sind wir mehr als pünktlich am Bahnhof, schließlich haben wir diese Reise monatelang akribisch geplant. Eigentlich seit Jahren, zumindest was mich betrifft. Und weil sich Helga irgendwann bei der letzten Walpurgisfeier spontan als San Francisco-Fan geoutet hat, nahm alles Gestalt an und das Schicksal seinen Lauf.

In Frankfurt ist auch am frühen Morgen schon Betrieb, nur noch nicht sooo schrecklich viel, so dass wir ganz prima unseren Schalter mit den freundlichen Air France-Menschen finden. Wir fliegen mit Zwischenlandung in Paris – das ist günstiger als ein Direktflug. Das Flugzeug ist ein kleinerer Hüpfer – allerdings nicht so winzig wie weiland der mit dem irischen Kleeblatt. Wir bekommen sogar ein eiskaltes Croissant mit Kaffee und sind ums rumgucken (der Eiffelturm grüßt aus der Ferne!) in Charles-de-Gaulle gelandet. Na ja, Frankfurt ist ja schon riesig, aber dieser Airport erst – allerdings gut geordnet, denn wir finden durch die Beschilderung (und zwei Frauen, die offensichtlich den gleichen Weg haben), unser Departure-Terminal und einen Bus – nach dem xten Check werden wir zu unserem Gefährt für die nächsten Stunden verfrachtet. Eng, vollgestopft, und erschreckend viele Menschen – ob die alle da hinein wollen? Sie wollen...

Und dann zeigt sich, dass es eine gute Entscheidung war, mit Air France zu fliegen (nicht nur wegen des günstigen Tarifs) – es gibt nun erst mal etwas zu trinken und wir bestellen naturellement Champagner! Ein gelungener Start und, oh Wunder, wie fliegen, Richtung England, Schottland – schön zu sehen trotz der Höhe (ich darf am Fenster sitzen, was ich die nächsten Stunden sehr genieße!). Wir überfliegen Island, dann kommen am Horizont die ersten Eisberge über Grönland in Sicht. Der im Sitz eingebaute Minicomputer hält uns über die Flugroute, Höhe und Entfernungen auf dem Laufenden, und wer (außer Helga, die schon dort war!) weiß schon, dass Grönland zu Dänemark gehört und die Hauptstadt Nuuk heißt.

Noch 6 Stunden 18 Minuten bis San Francisco.

Auf dem Bildschirm vor den Sitzen macht das kleine Flugzeug mit rotem Schweif langsam einen großen Bogen Richtung Kanada und USA – na endlich. Es ist 6.20 SF-Time - ich habe Punkt 6 Uhr morgens meine Uhr umgestellt.
Übrigens: Wir fliegen 10.987 m hoch und draußen sind es 61 Grad (minus wohlgemerkt), 2.186 miles from home!

Unter uns liegt ewiges Eis – phantastisch.

Es gibt doch tatsächlich in diesem Flieger Menschen, die jetzt schlafen! Allerdings kann man nach dem guten Mittagessen (mit viel Verpackungsabfall), dem Sekt und Weißwein sicher müde werden und der Reiseführer ist auch gerade nicht sooo interessant. Auf den weiten Eisfeldern schimmert die Sonne, allerdings ist kein Eisbär in Sicht – schade. Ob meine meas wohl ohne mich zurecht kommen?

Das sieht schon toll aus, dieses weite, graublaue Meer, und dazwischen die kleinen Eiswürfel – das letzte Stück Atlantik liegt vor uns. Helga kämpft mit den grünen Einwanderungsformularen, die zum Ausfüllen verteilt wurden, und ohne die wir die USA nicht betreten dürfen – wir wollen doch aber gar nicht einwandern, oder doch??? (PS: Der Flieger war bis jetzt ganz brav und hat keine Hüpfer oder sonstigen Mucken gemacht. Wenn der Motorenlärm nicht wäre und die vorbeiziehenden Wolken könnte man sich im Liegestuhl wähnen, jedenfalls angenehmer als in der Linie 1 nach Rheinau zu fahren. Der von der Erde aus so schön silbergrau anzusehende Kondensstreifen ist übrigens hier oben eine hässliche graue Abgaswolke, das tut richtig weh, besonders, wenn man über so offensichtlich unberührtes Land bzw. Eis fliegt.)

Neufundland taucht auf, zuerst kleine Eisfelsen, die im tiefblauen Eiswasser schwimmen. Die Eisberge glänzen in der Sonne – ist hier irgendwo nicht das Grab der Titanic? Aus den vielen Stücken wird langsam festes Land – wir sind über Kanada. 4.963 miles from home.
Auf dem Computerbild taucht die Hudson Bay auf – unter uns auch in “echt”. Durch die klare Luft glaubt man, der Erde ganz nahe zu sein; tatsächlich fliegen wir 11 Kilometer hoch über ihr. Der Bordcomputer zeigt: wir fliegen über Vancouver/Edmonton. Seit mehr als 3 Stunden nur Eis, Wasser, Berge, kein Baum oder Strauch, geschweige denn eine Maus oder ein Mensch, da könnte man direkt trübsinnig werden; Menschen werden wir heute allerdings noch genug zu sehen bekommen. Zu Hause ist es jetzt schon dunkle Nacht, hier ist gerade mal Mittag – schon merkwürdig, irgendwie, diese Zeitverschiebung.

Menschen, echte Menschen. Zumindest eine Straße zeigt sich plötzlich im Gelände. Es wird langsam felsig und weniger eisig, dazwischen aber jede Menge Tümpel und Seen, viele schon zugefroren. Und jetzt ist gerade erst mal Ende Oktober – wie mag es hier im Winter erst aussehen. Die Ansiedlungen, durch die eine schnurgerade Straße führt, werden langsam mehr. Wir fliegen auf die Rockies zu, und wenn der Kapitän nicht bald Richtung Süden abdreht, werde ich noch schlaflos in Seattle landen... (mein absolut ultimativer Lieblingsfilm!).

Da geht Frau einmal in acht Stunden aufs Klo, und schon sind wir in die „Felsenberge“ eingetaucht. Die Mondin (halb – exactly!) hat sich zu uns gesellt und bestaunt mein Staunen. Aber da bleibt einem schon die Sprache weg, wenn man dies das erste Mal im Leben sieht. Tausende verschneiter Berggipfel liegen 10 km unter uns; herrliche Wälder kann man nur ahnen, und hier gibt’s bestimmt eine Million Wanderwege.... Sogar der Flieger macht ein paar Hüpfer vor Begeisterung – Hilfe, denn soeben ist das Dinner im Anmarsch. Auch vom Nixtun kann man ab und an Hunger bekommen. Während des Essens - ausgerechnet – steigt unser Flugzeug Turbulenzen-bedingt auf 13 km Höhe, da uns sonst das Essen um die Ohren geflogen wäre – weiter oben ist es ruhiger. Musste denn das noch sein! So begrüßt man doch nicht seine Gäste, denn inzwischen sind wir über die Grenze geflogen und befinden uns in den Vereinigten Staaten, besser: darüber. Der Oregon windet sich breit und behäbig durchs Gebirge. Aus unseren 13 km Höhe sieht er aus wie der Rhein vor unserer Rheinbrücke – wie gewaltig muss der Strom sein, wenn man an seinem Ufer steht. Kleine Ansiedlungen reihen sich am Wasser entlang, das sind ganz sicher herrliche Urlaubsgebiete.

Am Horizont taucht aus dem Dunst langsam und lange ersehnt ein grüner Streifen auf – der Pazifik! Jetzt regen sich im Flieger die Menschen und Aufregung macht sich breit. Eine halbe Stunde schweben wir erwartungsvoll im Landeanflug und als Zugabe fliegt der Pilot noch ein paar Schleifen, die Sonne begrüßt uns, wir landen. Der rote Pfeil auf dem Bordcomputer bleibt exakt über dem Punkt stehen, den er uns in den letzten Stunden ständig als „Ziel“ gezeigt hat und der auch das Ziel unserer Wünsche ist: San Francisco.
Helga verbietet mir, was weiland der Hl. Vater bei seinen Reisen zu tun pflegte, nämlich den Boden zu küssen, was eine gute Entscheidung sein mag. Aber: WIR SIND IN SAN FRANCISCO – HURRA!

Ein Flughafen, der sehr schön und offenbar neu gebaut ist, eine edle Eingangshalle begrüßt uns mit hohen Bambuspflanzen, aber die Herren der Einwanderungsbehörde schauen alle recht grimmig drein. Na ja, wer kann unserem Charme aber schon widerstehen! (Und schließlich haben wir keine Bombe im Schuh, keine lebenden Tiere oder sonstigen Überraschungen in petto – wir sind friedliche Besucher.)

Endlich ins Freie!

Die nächste Überraschung: keine Hektik, das Leben läuft friedlich, freundlich, in wunderbarer Mittagssonne, ab. Vor dem Eingang stehen kleine Busse, deren Fahrer begierig auf Gäste warten, die Preise variieren sehr. Wir beschließen, uns erst zu informieren – einer ist allerdings besonders schlau und verspricht Rabatt, wenn wir mit ihm bei der Heimreise wieder zurückfahren – Helga verspricht, wir fahren!

Inzwischen sind wir seit halb fünf Uhr morgens unterwegs, es ist Ortszeit 12.30 Uhr (plus 9 Stunden für uns), also für unser „feeling“ längst Schlafenszeit.

Und wir sind 9.500 km von zu Hause weg und wollen jetzt nur noch eins: ein Bier und ein Bett. Der Fahrer macht eine größere Stadtrundfahrt (so scheint es uns wenigstens), die 14 Dollar pro Person haben sich doch gelohnt. Unser Hotel liegt am Eingang zu China Town, und das ist auch schon das Beste, was man darüber sagen kann – na ja, wir sind jedenfalls mitten im Geschehen, und im Hotelzimmer wollen wir uns ja so wenig wie möglich aufhalten. Wir schmeißen unser Gepäck in die Ecke und ziehen nun doch noch mal los. Wer kann schon mittags um 2 schlafen, wir haben Hunger und Durst, die Emails nicht zu vergessen; und
schließlich: WIR SIND IN SAN FRANCISCO!!!

Bei einem China-Wok will ich etwas essen – Helga lacht sich kringelig. Es gibt Woks nur zu kaufen – kochen muss man selber. Um die Ecke ist ein Computerladen und siehe da, hier kann man nicht nur Computer kaufen, sondern auch Emails losschicken, was uns dann nach längerem Herumprobieren auch gelingt und wir auf die Mailseite der Uni Mannheim kommen. Es kostet noch nicht mal etwas, die superneuen Computer zu benutzen --- nette Menschen, diese Amerikaner. Ein dunkelhäutiger Riese strahlt uns an, will in unsere Taschen sehen, und grinst dann „bye, Mam“ – als ob er ahnen würde, dass wir uns die nächsten Tage regelmäßig sehen ....

Nach einem Essen beim Chinesen, den wir nach langem Zögern ausgesucht haben, und einem ersten kleinen Einkauf (Postkarten, was sonst) fallen wir dann todmüde um. Einen kurzen Eindruck bei Tageslicht und am frühen Abend hatten wir jetzt schon von der Stadt. Aber alles ist noch etwas verwirrend – morgen sehen wir weiter!