Bericht über die Reise zweier Hexen nach San Francisco

zu Halloween 2002
Helga Gebauer und Isabella Nohe

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2. Tag: Mittwoch, 30. Oktober 2002

12 Stunden sind vergangen seit dem frühen Einschlafen gestern – um halb fünf Uhr am andern morgen sind wir glockenhell wach (ich bin wach, Helga glockenhell ...)

Was solls, der Jetlag fordert seinen Tribut, und nun ziehen wir uns an und marschieren im Morgengrauen auf der Suche nach einem Kaffee los. Es ist schon eigentümlich, in einer fremden Stadt so früh am Morgen herumzulaufen. Die Ladengitter sind noch herunter gelassen, davor liegen hier in der breiten Market Street viele Obdachlose mit ihrem Kram, eingepackt in Decken und Kartons. Dazwischen rennen frühe Jogger – viele Californier und -innen frönen sehr dem Gesundheits- und Fitnesswahn.

Helga knipst die ersten Bilder – Hochhaus mit Mondin.

Dann endlich hat sich ein Chinese erbarmt und sein Coffehouse für uns geöffnet. Hier fällt uns das erste Mal auf, wie viel Abfallproduktion in diesem Land betrieben wird – alles, vom Kaffee mit Deckel, Teller, Besteck ist in Wegwerfteile gepackt – wir werden uns nie daran gewöhnen. Frisch gestärkt ziehen wir aber nun los zu unserem ersten Ziel: dem Union Square. Wir müssen ein Siebentageticket kaufen, damit wir mit den Bussen und – natürlich – der Cable fahren können. Leider war da noch alles zu: Es sollte Stunden dauern, bis wir ein solches endlich ergattert haben, und bei unserer Suche können wir zu Fuß China Town erkunden. Der Weg führt – wohin auch sonst am ersten Tag – Richtung Meer und Fisherman's Wharf.

Eingedenk der vielen Lieben, denen ich ein „Mitbringsel“ erstehen sollte, bleibe ich an jedem Laden hängen, aber Helga tröstet mich: Da kommen wir auf jeden Fall noch mal her (sie sollte nur zum Teil recht behalten ..). Ein Lokal erregt unser tiefes Interesse beim Vorbeigehen: The Stinking Rose – der erste „duftende“ Knoblauchladen. Hier werden wir bestimmt mal zu Abend essen.

Am frühen Morgen haben wir schon in die alte St. Marys Cathedral hineingeschaut (nur ein paar Schritte von unserem Hotel entfernt) und brav eine Kerze angesteckt als Dank für die bisher gute Reise (und ich kann immer noch nicht fassen, dass ich wirklich hier bin). Nun haben wir St. Peter and Paul entdeckt – eine salesianische Niederlassung mit Schule. Eigentlich waren es die vielen Chinesen (oder waren es Japaner) in dem kleinen Park davor, die uns aufgefallen sind, und die alle ihr morgendliches Tai Chi geübt haben – im Freien, wie von zu hause gewohnt (zum Glück war Helga auch schon in China und kennt sich aus). Sie lassen sich auch nicht stören – auch nicht, als Helga sie – was auch sonst – fotografiert.

Bei jedem Ampelstopp haben wir ringsherum einen herrlichen Blick auf die vielen Hügel von SFO, Nob Hill mit dem markanten Coin Tower, den Russian Hill, und all die berühmten und beeindruckenden Gebäude, (Savings Bank, Bank of America, das Marriott Hotel, St Francis), die wir schon aus den eifrig im Vorfeld studierten bunten Bildbänden kennen – nun können wir alles richtig in Natura bewundern.

Zwei Chinesinnen, schon älteren Jahrgangs, amüsieren sich köstlich über uns – Helga macht ein Bild von mir vor einem Abfallkübel mitten auf der Straße (die Straßenmitte ist übrigens die einzige „ebene“ Stelle, ansonsten geht es bergauf und bergab – aber davon später mehr).

Nun fährt die Cable schon wieder an uns vorbei und wir haben immer noch kein Ticket.

Endlich kommen wir an den Hafen, die berühmten Piers, und an den berühmtesten davon, Pier 39. Im strahlenden Sonnenschein sitzt eine gewichtige pink Lady [die eigentlich ein Mann war hg] mit Sonnenschirm auf einem Klappstuhl und winkt fröhlich in die Runde. Ein Lädchen am andern, eine Fischbude an der andern, lebende Hummer und anderes Getier auf langen Tischen, daneben die heißen Wassertöpfe. Menschen – alle scheinen fröhlich gelaunt. Haben die alle Ferien wie wir?

Wir laufen dem Wasser entlang, amüsieren uns über die Seelöwen (stinken, machen krach, sind aber die Attraktion!) Keiner weiß, woher sie plötzlich kamen, und wieso sie sich diese Bucht ausgesucht haben. Aber sie vermehren sich ständig und wollen offenbar nicht mehr weg – wir können das gut verstehen.

Die weite San Francisco Bay liegt vor uns, und nun erst kann man abschätzen, wie groß und eindrucksvoll das ganze Gebiet ist. Alcatraz liegt vor uns (wie hieß nur dieser berühmte Film, aus dem ich dieses Bild kenne?), und in jeder Andenkenbude häufen sich die Souvenirs mit Gefängnismotiven (ich kaufe ein paar Socken, um die zuhaus schwer gefeilscht wird, wer sie anziehen darf).

Und nun auch endlich ein Blick auf sie, die schönste aller Brücken! Richtig majestätisch sieht sie aus, weit gespannt über die Bay-Einfahrt, ganz wie auf allen Bildern und doch viel imposanter – wunderbar. Ich heule ein bisschen ganz heimlich und Helga fotografiert mich ganz offiziell. Wir laufen dann ein Stück am Wasser entlang, und hier wird Isabella auch das erste Mal im Pazifik baden (na ja, die Füße waren´s schon – das Wasser ist aber auch saukalt). Das kleine Maritim-Museum beherbergt nicht nur Teile eines uralten Holzschiffes (es war zwar nicht die Mayflower, aber so was ähnliches), sondern auch ein komfortables Klo – das muß ja auch mal sein.

Nach längerem Herumsuchen und In-die-Irre-geschickt-werden haben wir endlich den Ticketverkäufer gefunden, der zu den Rundfahrten über die Bay auch die Stadttickets verkauft, und so beruhigt, dass wir nun überall hinkommen können, wohin wir wollen, kaufen wir die ersten Mitbringsel. Mittagessen in der Sonne, es schmeckt wunderbar – grilled salmon, dazu ein Glas Wein. Das Geld geht weg wie im Flug und es ist schon erschreckend, die Preise zu sehen. Nicht nur fürs Essen, aber die Getränke erst! Fünf Dollar für ein Glas Wein, das gerade mal aus der Nachbarschaft stammt. Da ist ja der Napa Valley-Wein in Mannheim um ein vielfaches billiger ...

Wir beschließen, nicht mehr darüber nachzudenken oder uns zu ärgern; aber ehrlich, betrinken werden wir uns ganz sicher nicht.

Nach ausgiebigem Herumgestreune finden wir endlich eine Cable Car und sind total stolz (wie diese lächerlich anzusehenden Touris auf den Bildern sitzen wir auf den Holzsitzen und grinsen ganz sicher auch genau so ...) Nach ein paar Metern gibt die Bahn ihren Geist auf (das werden wir noch öfter erleben), und wir müssen in einen schnöden Bus umsteigen, aber – na ja, besser als gelaufen ist es allemal. Inzwischen sind wir doch schon leicht erschöpft. Wir bringen unsere Einkäufe ins Hotel und besuchen wieder mal unseren Computershop. Helga checkt ihre Uni-Mails, ich auch. Hoffentlich kommen unsere Mails auch an, schließlich haben wir versprochen, uns auf diesem Weg zu melden, dass wir gut angekommen sind und so. Regina sollte mir zurück schreiben, ich hoffe, sie weiß, wie das geht und ist nicht verwundert. Wir haben uns nämlich über die Uni-mailadresse eingeloggt. (Alle meine mails finde ich per Zufall im Computer wieder, als ich zurück an meinem Büro-Arbeitsplatz bin, und freue mich, sie noch mal lesen zu können).

Auf dem Weg kommen wir an Läden vorbei, die Halloween-Artikel verkaufen, das hier in Amerika gefeiert wird wie bei uns Fasching. Wir schnuppern uns durch einen Gruselshop und kaufen schon mal Masken für Fasnacht. Halloween ist schließlich einer der Gründe, warum wir Ende Oktober hier her wollten!

Nun wird es langsam Abend; einer „Schnapsidee“ folgend (ich fürchte, die war von mir) suchen wir eine Buslinie, die uns zum Golden Gate bringt – was waren wir froh, als wir heil zurück waren!! Helga hat sich zwischenzeitlich hervorragend mit den Buslinien vertraut gemacht, aber als wir da in dunkler Nacht beim Umsteigen im freien Feld an der sechsspurigen Brückenauffahrt waren, ohne dass eine Menschenseele in der Nähe gewesen wäre (oder sollten wir Gott sei Dank sagen), das war schon „nightmare“-mäßig (Bei Tageslicht war Embarcadero viel schöner.). Helga bestand zu recht (trotz meines Gegrummels) darauf, sofort in den nächsten Bus zu steigen, der zurück fährt. [Isabella verschweigt hier, dass die GGB bei Nacht von Fußgängern gar nicht betreten werden darf – sie macht um 6 p.m. zu hg].

Lieber wollten wir noch einen Schlummertrunk in dem originellen „Cafe de la Press“ trinken, das neben Zeitungen u.ä. auch Getränke und Essen verkauft und netterweise ein paar Tische auf der Straße stehen hat. Es liegt zum Glück direkt auf unserem Rückweg zum Hotel gleich hinter dem Chinatown-Eingangstor – hier sind wir sicher noch öfter. (Anm. bei Rückschau: Wir waren!)

Das war jetzt aber wirklich genug Programm für den ersten Tag - Gute Nacht!