Drei Hexen in Irland
"Wo soll ich anfangen? Am besten bei deinen zahlreichen Beschäftigungen, denn ihretwegen habe ich am meisten Mitleid mit dir. Ich fürchte, dass du, eingekeilt in diese, deine Stirn verhärtest. Es ist viel klüger, du entziehst dich von Zeit zu Zeit deinen Beschäftigungen. Wer mit sich selbst schlecht umgeht, wem kann der gut sein? Gönne dich dir selbst. Sei wie alle anderen auch für dich selbst da, oder jedenfalls sei es nach allen anderen."
(Bernhard von Clairvaux, aus einem Brief an Papst Eugen III.)
Der Weckruf durchs Telefon und strahlender Sonnenschein kurz vor 6.00 Uhr. Kein Wölkchen am Himmel - das glaubt uns kein Mensch! So ein einzelner irischer Regentropfen könnte ja mal fallen, wir wollen schließlich alles erleben, was möglich sein könnte. Aber heute nicht - es geht Richtung Derry, das auf den "englischen" Karten Londonderry heißt. Auf dem Weg dorthin kommen wir in bergigeres und leicht bewaldetes Gebiet. Wald ist auf der grünen Insel selten, auch wenn seit der EU-Mitgliedschaft Irlands etliche Bewaldungsprojekte begonnen wurden. Warum wollten die Iren das nicht ? -ich habe es leider vergessen. Auch hier liegen überall offenbar recht neue und schöne Villen wie Farbtupfer in der Landschaft, die meisten sind sehr gepflegt und für unsere Verhältnisse auch teuer aussehend. Sind das die Segnungen der EU? Wir machen Tea-Time in einem einsamen Pub, wo Helga mich unbedingt auf der beer-bank fotografieren muß.
Auf der Fahrt hören wir von Frau Kolata dann weiter die Geschichte des Nordirland-Konflikts. Mit scheint, daß die Berichterstattung durch unsere Medien nicht ganz richtig und vollständig sein kann. Wir warten auf die Grenze, aber die gibt es seit dem Friedensabkommen (Karfreitags-Verträge) nicht mehr. Zum Mittagessen werden wir in Derry im Hotel Trinity erwartet. Wir treffen dort Frauen, die in verschiedenen Positionen am Friedensprozeß beteiligt sind. Es sind drei Stadträtinnen gekommen (eine davon aus dem Arbeitsministerium), eine Frau aus der organisierten Friedensbewegung für Frauen, die Rektorin einer Schule für benachteiligte Jugendliche (Katholiken), eine ehrenamtliche Mitarbeiterin einer Kommission Geldverteilung (?) und die Freundin der Frau von Pat Hume, des Friedensnobelpreisträgers, Mrs. Hume konnte krankheitsbedingt leider nicht selbst kommen.
Alle diese Frauen haben sich die Mühe gemacht, ins Hotel Trinity zu kommen, um uns über ihr Leben und ihre Arbeit am Friedensprozeß zu erzählen - die Berichte der einzelnen sind nicht nur informativ und anschaulich, sondern für uns auch teilweise sehr bewegend. Was erwarten Sie von uns?
Unser nächstes Ziel ist der Lough Derg.
Auf dem Weg zu dieser Wallfahrtsinsel beschäftigen wir uns mit dem allgegenwärtigen Nationalheiligen Patrick. Dieser stammt der Legende nach aus einer wohlhabenden schottischen Familie und wurde als Sechzehnjähriger von Piraten entführt und als Sklave nach Irland gebracht. Er mußte dort Schafe hüten und sah in diesem Schicksal die Aufforderung, sich zu besinnen und Gott zuzuwenden. Nach seiner Flucht Jahre später wurde er Mönch, studierte Theologie, wurde zum Bischof geweiht. Im Traum erhält er die Botschaft, nach Irland als Missionar zurückzukehren; verbürgt ist sein Eintreffen im Jahr 432 - nach seiner Ankunft sollen der Legende nach alle Schlangen und giftigen Tiere die Insel verlassen haben.
Auf Bitten Patricks habe Gott in Irland ein irdisches Fegefeuer eingerichtet, das Bußwilligen erlaubt, sich von ihren Sünden zu reinigen. Dies geschah auf einer Insel im Lough Derg, heute ein Wallfahrtsort "St. Patricks Purgatory", zu dem die Gläubigen (viele einmal jedes Jahr) pilgern, um dort 3 Tage zu fasten und zu beten. Gerade viele Jugendliche kommen immer öfter hierher an den See - wir selbst dürfen die Insel nur im Boot umfahren, da wir uns ja nicht dem Fasten unterziehen und keine drei Tage barfuss auf der Insel sein können/wollen?
Der See ist wunderschön mit vielen kleinen Inseln, die im Sonnenschein wie Perlen im Lough liegen, die Insel allerdings ist schrecklich zugebaut mit teilweise heruntergekommenen Gebäuden, großen und kasernenartigen Unterkunftshäusern für die Pilger. Wir erfahren, dass in diesem Jahr schon 25.000 Menschen zur Einkehr hier waren. (siehe auch einen Artikel über die Wallfahrt zu St. Patrick's Fegefeuer aus dem Deutschen Allgemeinen Sonntagsblatt von unserer Reiseleiterin Dagmar Kolata).
Marion beobachtet unsere Rundfahrt vom sicheren Ufer aus; fast hätte ich sie beneidet um die kurzzeitige Ruhe am Seeufer. Wir fahren dann noch per Bus den See entlang zu dem Städtchen Pettigo, das während des Krieges geteilt war - die Grenze zwischen Nord- und der Republik Irland lief mitten hindurch (für uns Deutsche ja nicht ganz unbekannt).
Die Teilung hatte nicht nur menschlich schlimme, sondern auch kuriose Folgen: So musste z.B. jemand, der seinen Nachbarn zwei Häuser weiter anrufen wollte, ein Ferngespräch wählen. Mit dem offiziellen Ende des Konfliktes wurden dort umgehend alle Barrieren entfernt, und langsam erholt sich der 30 Jahre geteilte Ort wirtschaftlich wieder.
Wir fahren zurück Richtung Sligo, und dieser Teil Irlands ist wirklich traumhaft schön. Wir durchfahren die Grafschaften Tyrone, Fermanagh, Sligo und Roscommon, und die herrlichen Seen reihen sich fast ununterbrochen aneinander. Auch der Atlantik hat noch einmal herübergegrüßt und bald überqueren wir wieder den Moy und sind in Mayo.
Wir und der fünfte Tag: Finito, kaputto!
Am Abend im Hotel: Das ist schon die zweite Hochzeit in dieser Woche, die Iren scheinen ein bindungsfreudiges Volk zu sein, na ja, und auch katholisch eben. "Unsere" Bar ist proppenvoll mit Hochzeitsgästen und keine Chance, ein Smithwicks zu kriegen - ausgerechnet heute, wo wir so durstig von der langen Reise sind. Die Hochzeitsgesellschaft hat Musik mitgebracht, die zum Glück um Punkt 22.00 Uhr die Übungen einstellt.