Drei Hexen in Irland
Gott, wir preisen dich, du bist der Morgen und der Abend,
der Anfang und das Ende.
Wir schauen das Licht des neuen Tages,
hören einander und die Stimmen der Schöpfung.
In deinem Licht schauen wir das Licht, das über unserem Weg liegt,
auf dem du mit uns weitergehen wirst.
Die Möwen mit ihrem Geschrei sind uns wohl gefolgt und wecken uns auf, heute "etwas" später als sonst, es ist Sonntag, und auch für uns der "siebte Tag". Wir wollen einen Gottesdienst besuchen und danach eine Nachfahrin der Seeräuberin Grace O`Malley, deren Land wir gestern schon erkundet haben. Auch der heilige Berg muß bestiegen werden, und Newport soll die Anregung sein, noch die letzten Mitbringsel einzukaufen. Wir fahren nach Kilkelly zum Gemeindegottesdienst, der (für unser Empfinden) erstaunlich gut besucht ist. Zu unserer Überraschung erfahren wir, daß es in Irland nicht üblich ist, im Gottesdienst Musik zu machen oder Lieder zu singen, und der junge Kaplan schlägt eine flotte Gangart ein, so daß in einer guten halben Stunde der Gottesdienst zu Ende ist. Er predigt sehr einfühlsam und intensiv vom guten Hirten und endlich kann ich meinen Lieblingspsalm in englisch nachlesen und beten. So ganz ohne zu singen können wir aber doch nicht gehen, und so sammeln wir uns, nachdem sich die Gemeinde verlaufen hat (bzw. nach dem letzten Ton aus der Kirche gestürmt ist), und singen "Lobet und preiset ihr Völker den Herrn" - natürlich in mehreren Stimmen. Der Gemeindepfarrer kommt zu uns und begrüßt uns herzlich, dankt uns für das Lied und erteilt uns dafür global die Absolution. Da darf dann ein "Laudate omnes gentes" als Abschluß nicht fehlen. Übrigens gibt es in Irland keine Kirchensteuer; die Gemeindemitglieder bekommen Umschläge mit Nummern für jede Familie, die dann im Gottesdienst jeweils eingesammelt werden. So kann jeder Pfarrer sehen, wieviel er seinen jeweiligen Schäfchen "wert" ist......
Wir fahren über Castlebar nach Westport, der Croagh Patrick überschattet die schöne kleine Stadt am Meer.
Auf der Fahrt erfahren wir aus der Geschichte des Heiligen Patrick, daß er wohl ein Mann gewesen sein muß, der den Frauen nicht allzu wohl gesonnen war; dies stimmt uns nicht sonderlich freudig. Jedenfalls hat er zwar den Katholizismus nach Irland gebracht, andererseits den Menschen ihre keltischen Bräuche nicht einfach verboten, sondern versucht, beides zu vereinbaren, obwohl er sicher den Druiden nicht sonderlich gewogen war... (das werde ich genauer nachlesen).
Am Fuß des heiligen Berges kraxeln wir ein paar Schritte zu dem Denkmal des Heiligen auf, um von dort einen herrlichen Rundblick über die Clew Bay mit mehr als 300 Inselchen zu geniessen; auch heute liegt alles im strahlenden Sonnenschein. Der Blick, aber auch die schönen Sandstrände (der Sand macht sich doch überall bemerkbar - wie kommt der nur in meine Handtasche?) erinnern nochmals an den gestrigen Tag. Der heilige Berg der Iren, sicher schon ein Heiligtum keltischer Vorfahren, ist 765 Meter hoch. Da wir uns auf Meereshöhe befinden, kommt uns das doch sehr hoch vor. Jeder Ire macht wenigstens einmal im Jahr eine Wallfahrt auf den Berg, die älteren Leute haben das noch barfuß gemacht. Hier war noch das uralte Bußverhalten der Kelten vorhanden, heute geht man mit guten Bergschuhen, was auch sinnvoll ist - der Berg ist sehr steil und voller Geröll.
Am Fuß des Berges liegt direkt an der Meeresbucht ein sehr beeindruckendes Mahnmal, ein "Totenschiff", das an die große Hungersnot erinnert. Viele Menschen sind auf Schiffen nach Amerika geflüchtet, nur die wenigsten sind lebend angekommen, und die Bevölkerung hat sich so dezimiert (von 6 auf 4 Millionen), daß sie sich zahlenmäßig bis heute nicht davon erholen konnte. Bis heute ist nicht vergessen, daß die englischen "Besatzer" die letzten noch gut ernährten Rinder und Schafe nach England gebracht oder für sich selbst verwendet haben, und gleichzeitig zusahen, wie die einheimische Bevölkerung verhungert ist. Auch das ist Geschichte, die wohl mit zum Nordirland-Konflikt gehört und sicher dazu beigetragen hat.
Zurück nach Westport: In der Mittagszeit finden wir ein gemütlich-rustikales Lokal, und -endlich - kann ich mein lange gesuchtes Irish Stew bestellen und geniessen. Danach brauche ich erst einmal einen Bankautomaten; das verflixte Geld verschwindet irgendwie. Tatsächlich funktioniert meine Karte, Wunderwerke der modernen Technik, und es erscheint sogar Geld. Kein deutsches, wie Marion seltsamerweise glaubt (oder will sie mich auf den Arm nehmen - sonst ist sie doch wirklich schneller im Denken!), und schließlich kann der Automat doch nicht erkennen, welche Nationalität der jeweilige Benutzer hat, gell???
Kurz danach ist das meiste Geld schon wieder weg. Wir haben einen kleinen Laden mit keltischen gifts gefunden, Marion verweilt mit Helga in einem Woll-Laden, aus dem beide mit riesigen Tüten mit riesigen Pullovern wieder erscheinen.
Im Eiltempo geht es zum Clew Bay-Hotel, wo wir einen Termin mit einer Dame haben, auf die wir alle sehr gespannt sind. Am Vormittag schon hatten wir eine kurze Rast bei einem verfallenen Kloster am Meer gemacht, in dessen Kirche Grace O´Malley getauft und getraut wurde, und bei der wir die Geschichte ihres bewegten Lebens gehört haben.
Nun erfahren wir, daß die Nachfahrin, mit der wir uns hier treffen, im hiesigen Bezirk Stadtplanerin und Architektin ist, also im Grunde das gleiche Gebiet "beherrscht" wie einst die Ahnin, nämlich die Grafschaft Mayo, wenn auch auf etwas andere Art. Das Seefahrertum hat sich aber auf Mitglieder des Clans vererbt, natürlich auf die weiblichen. Der Clan, verstreut über die ganze Welt, trifft sich aber regelmäßig meist in Mayo, da die Stammburg bei Newport im Familienbesitz ist (eine zweite Burg auf Clare Island ist inzwischen im Besitz der Denkmalschutzbehörde). Der Clan ist sehr traditionsbewußt (aber sind das nicht alle Iren, isn´t it ?), und hält das Andenken an die berühmt-berüchtigte Vorfahrin und die Erforschung ihres Lebens sehr hoch. Wir erfahren von Kathie O´Malley auch viel über ihre Arbeit und Sorgen als Stadtplanerin. Die Zeiten des wilden Bauens sind vorbei, und es ist für sie sehr schwierig, gerade in den großen Freizeit- und Feriengebieten am Meer Auflagen durchzusetzen und dafür zu sorgen, daß diese auch eingehalten werden. Die Dame beeindruckt mich nicht nur durch ihr Auftreten und dadurch, daß sie offensichtlich eine patente Person ist, sondern auch durch ihren wunderschönen markanten Schmuck; ich wage aber nicht, nachzufragen, ob dieser noch von ihrer "Seeräuber-Ahnin" stammt ......
Die Rückfahrt nach diesem abwechslungsreichen Tag (heiliger Berg und Seeräubergeschichten verlangen schon Flexibilität) verläuft seltsam still. Die keltische Musik aus dem Bus-Recorder tut das ihre dazu. Morgen um diese Zeit sind wir wieder in Frankfurt, unvorstellbar!